Ernährungsmedizin

 

Die Bedeutung der Ernährung für die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit rückt zunehmend ins allgemeine Bewusstsein. Unter "Ernährungspsychiatrie" oder "Nutritional Psychiatry" versteht man die Anwendung ernährungsmedizinischer Verfahren in der Vorbeugung und Behandlung psychischer Erkrankungen. Die Interaktion zwischen Darm und Gehirn rückt dabei zunehmend in den Fokus der Forschung und bietet neue Ansätze für die Vorbeugung und Behandlung von Gedächtnisstörungen, Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen.

Die Integration ernährungstherapeutischer Maßnahmen in die klinische Praxis kann nicht nur die Symptome psychischer Erkrankungen lindern, sondern auch langfristig zu einem verbesserten Wohlbefinden und einer besseren
Lebensqualität der Patienten beitragen. Ein besonderer Aspekt ist die Ernährungspsychiatrie als vielversprechende Maßnahme zur ganzheitlichen Behandlung.

Multiple Sklerose (MS) ist eine Autoimmunerkrankung, die mit einer Vielzahl möglicher neurologischer Symptome, einer oft unsicheren Prognose und z.T. deutlichen Einschränkungen für den Patienten und seine Angehörigen einhergeht. Auch auf Ebene des psychischen Wohlbefindens und der kognitiven Leistungsfähigkeit kann die Erkrankung zu Beeinträchtigungen führen.

 

Häufigkeit kognitiver Beeinträchtigungen 

 

Meist wird Multiple Sklerose (MS) als Krankheit mit betont körperlichen Symptomen aufgefasst und mit Beschwerden wie Sehstörungen, Missempfindungen und Lähmungen in Verbindung gebracht – Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit hingegen werden häufig unterschätzt. Inzwischen wurde jedoch eine Vielzahl meist kleinerer Studien zu diesem Thema publiziert, so dass man heute weiß, dass 40 bis 70% aller MS-Patienten auch kognitiv beeinträchtigt sind1

 

Symptome

 

Bei MS-Patienten kann grundsätzlich jeder Bereich der geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sein. Besonders häufig treten jedoch Beeinträchtigungen der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, der höheren Aufmerksamkeit sowie des Gedächtnisses auf. Hierdurch kann u.a. die Fähigkeit reduziert sein, neue Informationen aufzunehmen, zu verstehen und abzuspeichern. Auch die sog. exekutiven Funktionen sind häufig eingeschränkt, also die Fähigkeit zu planen, Ziele zu setzen und einzelne Handlungsschritte zu organisieren.

Kognitive Beeinträchtigungen können bereits in frühen Erkrankungsphasen und unabhängig von körperlichen Symptomen auftreten1.

Zwar sind kognitive Störungen bei MS-Patienten i.d.R. nicht so schwer ausgeprägt wie etwa bei Alzheimer-Patienten, können aber die Alltagsfunktionen dennoch beeinträchtigen und somit die Haushaltsführung, das soziale und berufliche Leben sowie die Freizeit­gestaltung erschweren1.

Diese Einschränkungen im alltäglichen Leben gehen oftmals mit einer gewissen Abhängigkeit von anderen Personen und mit einer deutlichen Abnahme der Lebensqualität einher2,3

 

Diagnostik kognitiver Störungen

 

Störungen in spezifischen kognitiven Bereichen können mit neuropsychologischen Verfahren erfasst werden, etwa mit Tests zur Aufmerksamkeitsleistung. Zur detaillierten Bestimmung eines kognitiven Leistungsprofils werden meist sog. Testbatterien verwendet, d.h. mehrere Einzeltests in Kombi­nation. Bislang konnte sich jedoch noch kein Standard zur Diagnostik kognitiver Defizite etablieren, so dass eine kaum überschaubare Anzahl mehr oder weniger geeigneter Verfahren in der Forschung und Praxis zum Einsatz kommt4.

In einer eigenen Querschnittserhebung, der MSQ-Studie, wurden über 500 MS-Patienten mit dem computerbasierten „Merkfähigkeits- und Aufmerksamkeitstest“ (MAT) untersucht, durch den zentrale kognitive Funktionen erfasst werden. 

 

Therapie kognitiver Störungen

 

Bislang gibt es noch keine medikamentöse Behandlung speziell für kognitive Störungen bei MS, die nachweislich wirksam ist. In der Praxis, bevorzugt in Reha-Programmen, kommen daher nicht-medikamentöse Verfahren zum Einsatz, deren Wirksamkeit jedoch ebenfalls nicht wissenschaftlich abgesichert ist. Insgesamt besteht noch ein hoher Entwicklungs- und Forschungsbedarf auf diesem Gebiet5.

Grundlage jeder nicht-medikamentösen Intervention sollte immer eine gründliche Diagnostik sein, um die individuellen Problembereiche gezielt angehen zu können.  

 

Eigene Studien  

 

In Zusammenarbeit mit verschiedenen neurologischen Praxen und Zentren in Deutschland wurden bzw. werden am ISPG verschiedene Studien zu MS durchgeführt, insbesondere zu Beeinträchtigungen des psychischen Wohlbefindens und der geistigen Leistungsfähigkeit bei MS-Patienten. Exemplarisch hierfür stehen die MSQ- und MSL-Studie. 

 

MSQ-Studie: Störung von Gedächtnis und Aufmerksamkeit bei Patienten mit Multipler Sklerose

 

Bei dieser multizentrischen Querschnittserhebung wurden 530 ambulant behandelte MS-Patienten auf Defizite ihrer Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsleistung untersucht. Es zeigte sich hierbei, dass kognitive Beeinträchtigungen häufig auftreten, v.a. hinsichtlich bestimmter Gedächtnisfunktionen.

Näheres zur MSQ-Studie finden Sie in folgender Publikation (engl.): 

Adler, G. & Lembach, Y. (2015). Memory and selective attention in multiple sclerosis 

 

MSL-Studie 

 

Bei dem Projekt „MS – Längsschnitt“ (MSL) handelt es sich um eine multizentrische, longitudinale Beobachtungsstudie mit ambulant behandelten MS-Patienten. Hintergrund der Studie ist die hohe Prävalenz kognitiver Störungen bei MS. Bei der MSL-Studie wird nun der Frage nachgegangen, wie sich die kognitiven Beeinträchtigungen bei MS-Patienten im Längsschnitt entwickeln. Darüber hinaus soll der Zusammenhang zwischen kognitiven Beeinträchtigungen bei MS und Einschränkungen in der Lebensqualität und Berufsfähigkeit näher betrachtet werden.   


1 Chiaravalloti, N.D. , DeLuca, J. (2008). Cognitive impairment in multiple sclerosis. The Lancet Neurology 7(12): 1139-1151.

Benedict, R.H. , Wahlig, E. , Bakshi, R. et al. (2005). Predicting quality of life in multiple sclerosis: accounting for physical disability, fatigue, cognition,  mood disorder, personality, and behavior change. Journal of the neurological sciences 231(1): 29-34.

3 Kalmar, J.H. , Gaudino, E.A. , Moore, N.B. et al. (2008). The relationship between cognitive deficits and everyday functional activities in multiple sclerosis. Neuropsychology 22(4): 442-449.

4 Lembach, Y. , Adler, G. (2013a). Kognitive Beeinträchtigungen bei Multipler Sklerose. Aktuelle Neurologie 40(03): 147-165.

5 Lembach, Y. , Adler, G. (2013b). Dem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Ärztliche Praxis Neurologie Psychiatrie 2: 22-24.

Basisinformationen 

 

Die Frontotemporale Demenz (FTD) ist eine Demenzerkrankung, die erstmalig um das Jahr 1900 von dem Prager Neurologen Arnold Pick beschrieben wurde. Sie beginnt oft schon vor dem 60. Lebensjahr mit Veränderungen der Persönlichkeit und mit Sprachstörungen. Man unterscheidet anhand der Symptomatik drei Formen der FTD: 1.) die Krankheitsform mit Verhaltensstörungen (behavioral variant, BV),  2.) die semantische Demenz (SD), und 3.) die progrediente, nicht-flüssige Aphasie (PNFA). Während die BV z.B. durch eine Wesensänderung, emotionale Verflachung und ein verändertes Sozialverhalten charakterisiert ist, stehen bei der SD und PNFA Störungen der Sprache in unterschiedlicher Ausprägung im Vordergrund. Bei der SD kommt außerdem eine Störung des Erkennens von Objekten und Personen hinzu.

Die Unterschiede zwischen diesen Krankheitsformen sind insbesondere zu Beginn der Erkrankung deutlich. Dies hängt damit zusammen, welche Hirnareale zuerst durch die Erkrankung in Mitleidenschaft gezogen werden. Im weiteren Krankheitsverlauf kommt es zu zunehmenden Einschränkungen in sämtlichen Bereichen der geistigen Leistungsfähigkeit und der Alltagsfertigkeiten.

Die Erkrankung ist seltener als die Alzheimer-Demenz und betrifft etwa 4 von 100.000 Personen im Alter zwischen 45 und 65 Jahren.

 

Krankheitsursache 

 

Vermutlich führen verschiedene neurobiologische Krankheitsprozesse zur FTD. Bei einem erheblichen Teil der Patienten spielen Veränderungen des Tau-Proteins eine entscheidende Rolle. Das Tau-Protein dient normalerweise als „Klebstoff“ für die Stützeiweiße der Nervenzellen. Unter krankhaften Bedingungen können sich Anhäufungen (Aggregate) von Tau-Protein und Stützeiweißen der Nervenzellen bilden, die die Nervenzellen schädigen. Bei einem Teil der Patienten mit FTD wurden Mutationen des Gens, das das Tau-Protein kodiert, als Krankheitsursache identifiziert. Die Symptomatik der FTD kommt dadurch zustande, dass sich diese Prozesse vorwiegend im Stirn- und Schläfenlappen abspielen. Diese Gehirnregionen nehmen eine wichtige Rolle bei der Steuerung des Verhaltens, beim Sprachverständnis und der Sprachproduktion ein.

Die Störung des Tau-Proteins ist möglicherweise ein Ansatzpunkt für eine ursächliche Behandlung der FTD. 

 

Verlauf 

 

Im Vordergrund der Symptomatik stehen Verhaltensstörungen, Persönlichkeitsveränderungen und Sprachstörungen. Bei den Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen zeigen sich zwei gegensätzliche Symptomkomplexe, die abwechselnd oder nebeneinander bestehen können. Das sind zum einen Symptome der Enthemmung (z.B. Euphorie, Kritiklosigkeit, allgemeine und sexuelle Enthemmung, Distanzlosigkeit), zum anderen Symptome der Verflachung (z.B. Apathie, Antriebslosigkeit, Vernachlässigung der Körperpflege bis hin zur Verwahrlosung). Ein besonders typisches Symptom ist die Verminderung der Fähigkeit, sich in andere Personen hineinzuversetzen. Das kann dann zu rücksichtslos oder unpassend wirkenden Verhaltensweisen führen, die sich jedoch nicht durch Defizite in moralischer Hinsicht sondern durch die Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit erklären. Der Krankheitsverlauf ist chronisch-fortschreitend und führt nach einigen Jahren zu weitgehender Hilflosigkeit und Pflegebedürftigkeit.

 

Behandlung 

 

Die Behandlung der FTD stellt Angehörige, Ärzte und Helfer vor eine schwierige Aufgabe. Der im Vergleich zur Alzheimer-Demenz frühere Krankheitsbeginn und die oft ausgeprägten Persönlichkeitsveränderungen und Verhaltensstörungen erfordern besondere Umgangs- und Vorgehensweisen.

Was die medikamentöse Therapie betrifft, so ist bislang lediglich eine symptomatische Behandlung der FTD möglich. Sie kann vor allem mit Acetylcholinesterase-Hemmern (insbesondere Rivastigmin) und selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (insbesondere Paroxetin) erfolgen. Eine weitere medikamentöse Behandlungsoption besteht in dopaminerg wirksamen Substanzen, z.B. Moclobemid. Diese Medikamente können jedoch nur die Symptome der FTD lindern. Eine Behandlung dieser Patienten mit Neuroleptika oder Antipsychotika kann zu starken Nebenwirkungen führen, so dass erforderlichenfalls medikamentöse Alternativen in Betracht kommen.

Eine ursächliche medikamentöse Behandlung der frontotemporalen Demenz ist bislang noch nicht allgemein verfügbar. Es gibt jedoch Hinweise auf eine Wirksamkeit von Methylenblau. In tierexperimentellen Untersuchungen zeigte sich, dass Methylenblau die Aggregate von Tau-Protein und Stützeiweißen der Nervenzellen auflösen und auf diese Weise das Krankheitsgeschehen verlangsamen oder stoppen kann. Ein Fallbericht zur therapeutischen Wirksamkeit von Methylenblau bei frontotemporaler Demenz unterstützt diese Annahme.

Für die Beratung von Patienten und Angehörigen stehen wir gerne in einem mit den Alzheimer-Gesellschaften Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gemeinsam durchgeführten Projekt zur Verfügung.