Definition Gedächtnistraining

 

Mit dem Begriff „Gedächtnistraining“ wird eine Vielzahl von Methoden bezeichnet, z.B. Memotechniken und allgemeine Aktivierungsmaßnahmen, das Lösen von Kreuzworträtseln oder Sudoku. Verfahren, die hingegen direkt bestimmte geistige Funktionen durch eine speziell hierfür entwickelte Methode trainieren, werden meist als  „kognitive Trainingsverfahren“ bezeichnet.

 

Grundlage: Neuroplastizität

 

Das Gehirn ist ein erstaunlich anpassungsfähiges Organ, das in der Lage ist, sich auf der Ebene von Synapsen, Neuronen oder Hirnarealen zu verändern. Diese Fähigkeit bezeichnet man als Neuroplastizität. Sie ist die Grundlage des Erwerbs von Wissen und Fähigkeiten sowie des Abspeicherns von Erinnerungen. So bilden sich z.B. beim Lernen von Fertigkeiten neue Nervenbahnen, die durch Üben immer effektiver werden, was sich in einer zunehmenden Verbesserung bei der Ausführung der Fertigkeit niederschlägt.

Neuroplastizität hilft auch dabei, krankhafte Veränderungen des Gehirns auszugleichen, etwa indem beschädigte Gehirnareale besser genutzt oder zusätzliche, intakte Gehirnareale aktiviert werden. Es lässt sich z.B. bei Patienten nach einem Schlaganfall beobachten, dass sie bei Bewegungen zunächst auf zusätzliche Hirnareale zurückgreifen, die normalerweise für Bewegungen eher unbedeutend sind, und sich im Laufe der Zeit inaktivierte Hirnbereiche wieder regenerieren1.

Diese Fähigkeit des Gehirns, sich zu verändern und anzupassen, macht sich auch das kognitive Training zu Nutze – es zielt darauf ab,  Mechanismen der Neuroplastizität zu nutzen und auf diesem Wege Beeinträchtigungen entgegenzuwirken. 

 

Wirksamkeit bei altersbedingten Gedächtnisstörungen   

 

Inzwischen gibt es mehrere Studien, in denen eine Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit  durch kognitive Trainingsverfahren bei älteren Menschen nachgewiesen werden konnte. Auch in der bislang größten Studie mit fast 3.000 Teilnehmern ab 65 Jahren konnte gezeigt werden, dass kognitive Trainingsverfahren, die regelmäßig über einen Zeitraum von mehreren Wochen praktiziert wurden, eine Verbesserung der trainierten Leistung bewirkten; die Trainingseffekte waren auch noch Jahre nach dem Training beobachtbar2,3. Eine aktuelle Meta-Analyse, bei der die Ergebnisse einzelner, wissenschaftlich gut umgesetzter Studien zusammenfassend ausgewertet wurden, wies ebenfalls auf eine positive und langanhaltende Wirkung solcher Maßnahmen hin4.

 

Wirksamkeit bei Demenzerkrankungen

 

Die Wirksamkeit kognitiver Trainingsverfahren bei Demenz ist bislang umstritten. Während in manchen Studien keine oder nur eine geringfügige Wirkung gefunden wurde5, kamen andere Studien zu positiven Ergebnissen6. Auch in einer eigenen Pilotstudie zu diesem Thema zeigte sich, dass kognitives Training bei Alzheimer-Patienten zu einer Verbesserung der Gedächtnisleistung führen kann7. Insgesamt haben sich die empirischen Hinweise auf positive Effekte von Gedächtnistraining bei Demenz in den letzten Jahren verdichtet8-10.  

 

Mögliche unerwünschte Wirkungen   

 

Als einzige Nebenwirkung von kognitiven Trainingsmaßnahmen wird die Abnahme des Wohlbefindens der Patienten diskutiert, da durch das Training eine Konfrontation mit den eigenen Beeinträchtigungen befürchtet werden kann. Allerdings zeigen Studien eher im Gegenteil, dass sich entsprechende Maßnahmen positiv auf die Stimmung und das Verhalten auswirken11. Auch in unserer Pilotstudie wurde eine Verbesserung des Wohlbefindens festgestellt.  

 

Das Trainingsverfahren Kogifit®   

 

Die aktuelle Forschungslage und insbesondere die Vorstudienergebnisse von Schimmel und Kollegen7 dienten als Grundlage zur Ausarbeitung des Trainingsverfahrens  Kogifit®. Es wurde speziell für Patienten mit leichten Gedächtnisstörungen bis hin zu mittelschwerer Alzheimer-Demenz entwickelt. Es wird von zwei Personen („Spieler“ und „Trainer“) gespielt und basiert auf einer Art Karten-Memory, dessen Schwierigkeitsgrad sich dem Niveau des Spielers anpasst. In zwei Studien – eine davon wurde von der Karin-Nolte-Stiftung unterstützt –  wurde die Wirksamkeit, Durchführbarkeit und Akzeptanz des Trainings bei ambulant und stationär behandelten Patienten untersucht. Dabei zeigte sich, dass es zu einer Zunahme der Leistungsfähigkeit kam und das Spiel von Patienten und Angehörigen als angenehm empfunden wurde.

Kogifit® wird mittlerweile durch das Gemeinschaftswerk für Menschen mit Behinderungen GmbH gefertigt und kann online bestellt werden. Mit dem Erwerb von Kogifit® wird die Arbeit der Alzheimer-Gesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. finanziell unterstützt.  

 

Mehr zum Konzept und zum Erwerb von Kogifit® erfahren Sie hier.   

 

Fazit für die Praxis   

 

Es lässt sich zusammenfassen, dass kognitive Trainingsverfahren eine geeignete Maßnahme für ältere Menschen sind, die ihre geistige Leistungsfähigkeit aktiv verbessern und erhalten möchten. Darüber hinaus stellen sie eine sinnvolle Erweiterung des Behandlungsangebots für Demenz-Patienten dar. 

 


1 Nelles, G., & Diener, H. C. (2004). Dynamische Reorganisation und Rückbildung von Hemiparesen. Aktuelle Neurologie, 30(10), 505-511.

2 Ball, K. , Berch, D.B. , Helmers, K.F. et al. (2002). Effects of cognitive training interventions with older adults. JAMA: the journal of the American Medical Association 288(18): 2271-2281.

3 Cahn-Weiner, D.A. , Malloy, P.F. , Rebok, G.W. et al. (2003). Results of a randomized placebo-controlled study of memory training for mildly impaired Alzheimer's disease patients. Applied neuropsychology 10(4): 215-223.    

4  Valenzuela, M. , Sachdev, P. (2009). Can cognitive exercise prevent the onset of dementia? Systematic review of randomized clinical trials with longitudinal follow-up. American Journal of Geriatric Psych 17(3): 179.

5  Willis, S.L. , Tennstedt, S.L. , Marsiske, M. et al. (2006). Long-term effects of cognitive training on everyday functional outcomes in older adults. JAMA: the journal of the American Medical Association 296(23): 2805-2814.

6  Spector, A. , Thorgrimsen, L. , Woods, B. et al. (2003). Efficacy of an evidence-based cognitive stimulation therapy programme for people with dementia Randomised controlled trial. The British Journal of Psychiatry 183(3): 248-254.

Schimmel, I. , Bektas, M. , Adler, G. (2008). Gedächtnistraining bei Demenz - Auswirkungen eines Merkfähigkeitstrainings mit systematischer Verstärkung. Psychoneuro 34(10): 475-478.

8  Spector, A. , Orrell, M. , Hall, L. (2012). Systematic review of neuropsychological outcomes in dementia from cognition-based psychological onterventions. Dementia and Geriatric Cognition Disorders 34: 244-255.

9  Sitzer, D. , Twamley, E. , Jeste, D. (2006). Cognitive training in Alzheimer's disease: a meta-analysis of the literature. Acta Psychiatrica Scandinavica 114(2): 75-90.

10  Woods, B. , Aguirre, E. , Spector, A.E. et al. (2012). Cognitive stimulation to improve cognitive functioning in people with dementia. Cochrane Database Syst Rev 2.

11 Rozzini, L. , Costardi, D. , Chilovi, B.V. et al. (2007). Efficacy of cognitive rehabilitation in patients with mild cognitive impairment treated with cholinesterase inhibitors. International journal of geriatric psychiatry 22(4): 356-360.